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WENNERSTRÖM Schwedens Schande

aus DER SPIEGEL 34/1965

Neben dem amerikanischen Militärflugplatz in Schleißheim bei München arbeiteten zwei Tage lang Männer in sowjetischen Uniformen. Am dritten Tag fuhren US-Militärpolizisten mit Jeeps und Dreieinhalbtonner-Lastwagen vor.

Die Amerikaner wollten die sowjetisch Uniformierten verhaften. Erst nach sieben Stunden - nachdem die amerikanische Abwehr konsultiert und eine Entscheidung des US-Hauptquartiers in Heidelberg eingeholt war - durften die falschen Sowjets weitermachen.

Die Pseudo-Sowjetsoldaten waren Filmstatisten im Dienst der Münchner Fernsehproduktion »Intertel«. Georg von Block, 45, Produktionsleiter bei der Firma, der sich »wie ein Tiger« gegen die US-MP gewehrt haben will, hörte die Begründung für die amerikanische Intervention in Schleißheim: Den Angehörigen der sowjetischen Militärmission in Frankfurt sei es zuzutrauen, daß sie in ihren Uniformen herumliefen und sich als Filmstatisten ausgäben, um in der Gegend ungestört auf Erkundung gehen zu können.

Von Block und sein Team konnten deshalb erst, als sich die Statisten als echt ausgewiesen hatten, die Szene abdrehen, die im nächsten Jahr als Teil des Zweimal-eine-Stunde-Spiels »Oberst Wennerström« vom Zweiten Deutschen Fernsehen gesendet werden wird.

Das Dokumentardrama über den schwedischen Luftwaffenattaché Stig Wennerström, 58, der 1964 in Stockholm zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt wurde, weil er 15 Jahre lang für die Sowjet-Union spioniert hatte, entsteht bei »Intertel« als zweites von drei Spion-Spielen. Das Autorenduo Maria Matray und Answald Krüger schreibt eine ganze Trilogie.

Das erste ("Der Fall Klaus Fuchs") wurde am 4. und 5. Mai von Mainz ausgestrahlt. Am Drehbuch des dritten - über den Chef der sowjetischen Abwehr, den Obersten Abel - wird zur Zeit gearbeitet.

Über Wennerström informierten sich die Autoren Matray und Krüger in Stockholm und in der Washingtoner Congressional Library. Sie lasen Akten, Zeitungsberichte und den Wortlaut des Stockholmer Prozesses gegen Wennerström.

Immer an der Historie entlang schrieben Matray/Krüger dann eine Wennerström-Typologie. In ihrem Film wird der Luftwaffenattache, der zuerst Doppelagent (für die Sowjet-Union und die Vereinigten Staaten), später nur Sowjetspion war und unter anderem den Nato-Aufmarschplan verriet, als ein Mann geschildert, der vom Geltungsbedürfnis getrieben wurde.

Die Autoren und der Regisseur Helmuth Ashley ("Das schwarze Schaf") legten das Psychodrama als große Rückblende an: Ein Beisitzer im Wennerström-Prozeß macht sich Gedanken über den Agenten - und diese Gedanken begleiten als Kommentar die Handlung. Der Münchner Schauspieler Paul Hoffmann, 63, war für die Hauptrolle prädestiniert: Er gleicht dem Original wie ein Zwilling. Als Hoffmann durch das Stockholmer Feinschmeckerlokal »La Ronde« ging, zuckte ein Gast zusammen. Es war Werner Ryhninger, der Wennerström -Ankläger. Er glaubte einen Augenblick lang, der Spion sei allzufrüh entlassen worden.

Schwierigkeiten beim Drehen in Schweden hatte der Produktionsleiter nur einmal - und wieder mit Uniformen. Da kein Kostümverleih in der Bundesrepublik schwedische Uniformen hatte, bat von Block die schwedische Armee um Hilfe.

Ein Major der Luftwaffe, mit von Block unterwegs zur Kleiderkammer, fragte: »Wofür brauchen Sie denn die Uniformen? Ich hoffe, daß es ein für die schwedische Luftwaffe freundliches Thema ist.«

Als der Major hörte, daß Wennerström Thema war, wollte er Schwedens Schande nicht im nationalen Ehrenkleid dargestellt wissen. Statt der originalen Uniformen gab er von Block die Adresse einer privaten Uniformfabrik.

14 Tage später konnten die Darsteller in zivilmaßgeschneiderte schwedische Uniformen schlüpfen.

Schwedischer Agent Wennerström

Der Ankläger zuckte ...

Wennerström-Darsteller Hoffmann

... beim Anblick zusammen

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